VwGH zur Hauptwohnsitzbefreiung, wenn Hauptwohnsitz erst drei Jahre nach Verkauf der Immobilie aufgegeben wurde

Der VwGH hatte sich im vorliegenden Fall mit der Frage auseinanderzusetzen, wann ein Hauptwohnsitz für Zwecke der Befreiung gemäß § 30 Abs 2 Z 1 EStG rechtzeitig aufgegeben wurde.

Der Mitbeteiligte (M) verkaufte am 3. Juni 2014 mehrere Liegenschaften, darunter mehrere zum Teil landwirtschaftlich genutzte, für rund EUR 12.000.000. Eines dieser Grundstücke war seit Jahrzehnten sein Hauptwohnsitz. Im Zuge des Verkaufs gab er diesen jedoch nicht sofort auf, sondern sicherte sich ein Nutzungsrecht von etwa dreieinhalb Jahren in Form eines Prekariums. Während dieser Zeit erwarb M eine neue Liegenschaft und baute dort ein Haus, in das er 2017 einzog. M war der Meinung, dass er seinen Hauptwohnsitz, wenn auch verzögert, im Zuge des Verkaufs aufgegeben hatte und beantragte eine anteilige Hauptwohnsitzbefreiung.

Bei einer Außenprüfung im Jahr 2016 stellte die Abgabenbehörde fest, dass die abgeführte Immobilienertragsteuer zu niedrig war. Die Außenprüfung bestritt das Vorliegen der Hauptwohnsitzbefreiung, da der Hauptwohnsitz nicht rechtzeitig aufgegeben worden sei. Daraufhin legte M gegen den neuen Steuerbescheid Beschwerde ein. Diese wurde in einer Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Hauptwohnsitzbefreiung abgelehnt, woraufhin M einen Vorlageantrag stellte.

Das BFG entschied in Teilen zugunsten der Beschwerde. Es stellte fest, dass M seinen Hauptwohnsitz tatsächlich am 30. Mai 2017 aufgegeben hatte. Nur drei Monate nach dem Verkauf der alten Liegenschaft erwarb M eine neue, unbebaute Liegenschaft, auf der er später seinen neuen Hauptwohnsitz errichtete. Das BFG befand, dass weder der Verkauf noch der nachfolgende Kauf der Grundstücke angesichts der Größe, Lage und geplanten Bebauung gewöhnliche Transaktionen waren. Daher sei M mehr Zeit für die Suche eines geeigneten Grundstücks und die Errichtung eines neuen Eigenheims samt landwirtschaftlichem Betrieb zu gewähren. Diese besonderen Umstände rechtfertigten die längere Dauer zwischen Veräußerung und Aufgabe des alten Hauptwohnsitzes.

Der Anteil der Hauptwohnsitzbefreiung wurde jedoch als zu hoch angesetzt. Der Betrag von rund EUR 700.000 wurde auf EUR 270.000 reduziert. Gegen diese Entscheidung des BFG wurde Amtsrevision eingelegt, weshalb sich der VwGH mit dem Umfang der Hauptwohnsitzbefreiung befassen musste.

Der VwGH betont, dass die Aufgabe des Hauptwohnsitzes eine Voraussetzung für die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs 2 Z 1 lit a und b EStG ist. Der Zweck dieser Befreiung besteht darin, den Veräußerungserlös ungeschmälert für die Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes nutzen zu können. Dafür muss dem Veräußerer eine angemessene Frist eingeräumt werden, die unter bestimmten Umständen auch über ein Jahr hinausgehen kann.

Im vorliegenden Fall sicherte sich M hingegen die Nutzung des alten Hauptwohnsitzes bereits über das dreieinhalb Jahre andauernde Prekarium ab. Die neue Liegenschaft wurde erst Monate nach dem Verkauf des alten Grundstücks erworben und die Bauanzeige erfolgte etwa ein Jahr später. Es gab auch keine Anhaltspunkte, dass diese Verzögerungen nicht von M zu vertreten wären. Das BFG konnte auch nicht überzeugend darlegen, warum die Lage und Größe des Grundstücks besondere Umstände darstellen würden, die eine Fristverlängerung rechtfertigen. Laut VwGH zeigt das dreieinhalbjährige Prekarium, dass M von Anfang an nicht die Absicht hatte, den Hauptwohnsitz zeitnah aufzugeben. Aufgrund der nicht rechtzeitigen Aufgabe des Hauptwohnsitzes war die Hauptwohnsitzbefreiung nicht anwendbar, und das angefochtene Urteil musste wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben werden.

Praxisfolgen

Die Entscheidung des VwGH bringt neue Klarheit zur Hauptwohnsitzbefreiung. Sowohl § 30 Abs 2 Z 1 lit a als auch lit b des EStG setzen voraus, dass der alte Hauptwohnsitz aufgegeben wird. Das Gesetz selbst gibt jedoch nicht an, bis wann diese Aufgabe erfolgen muss. Die Finanzverwaltung hatte lange Zeit vertreten, dass dies spätestens innerhalb eines Jahres nach der Veräußerung geschehen muss (siehe EStR Rz 6643 in der Fassung vor dem Wartungserlass 2018). Der VwGH stellte jedoch in seiner Entscheidung vom 1. Juni 2017 (Ro 2015/15/0006) klar, dass dem Steuerpflichtigen eine den Umständen des Einzelfalls angemessene Frist eingeräumt werden muss, die durchaus länger als ein Jahr sein kann. Diese Sichtweise wurde mittlerweile auch in Rz 6643 der EStR übernommen.

Im vorliegenden Fall wurde der Hauptwohnsitz erst etwa drei Jahre nach der Veräußerung aufgegeben, ohne dass dies auf unvorhersehbare Ereignisse zurückzuführen war. Der Veräußerer hatte zwar bereits beim Verkauf die Absicht, den Hauptwohnsitz später aufzugeben, was er auch tatsächlich tat. Da jedoch von Anfang an, kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Verkauf und Aufgabe des Hauptwohnsitzes vorgesehen war, wäre ein Zugestehen der Hauptwohnsitzbefreiung angesichts der bisherigen Rechtsprechung, die eine angemessene Frist zur Aufgabe des Hauptwohnsitzes als Voraussetzung ansieht, überraschend gewesen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass es ratsam ist, beim Bau eines neuen Hauptwohnsitzes nach Möglichkeit bereits vor dem Verkauf des alten Grundstücks ein neues Grundstück zu erwerben und den Bau oder Umbau zumindest geplant zu haben, um zeitnah mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Die vertragliche Sicherung der Nutzung des alten Wohnsitzes über einen längeren Zeitraum ist zwar verständlich, kann aber – wie in diesem Fall – darauf hindeuten, dass eine zeitnahe Aufgabe des Hauptwohnsitzes nicht beabsichtigt ist und für die Hauptwohnsitzbefreiung daher potenziell hinderlich ist