Bislang besteht in Österreich keine gesetzliche Regelung, dass Umsatzsteuerforderungen (zB auf Grund von Entgeltsminderungen) bzw Vorsteuerüberhänge verzinst werden, wenn diese verspätet ausgezahlt werden. Zinsen sind lediglich im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer (Anspruchszinsen) und im Fall von Beschwerden (Aussetzungs- bzw Beschwerdezinsen) vorgesehen und betragen 2% über dem Basiszinssatz pro Jahr.
Gegen diese Rechtslage richten sich zwei Klagen in Österreich, die nun vom EuGH nach Vorlage des VwGH gemeinsam entschieden wurden. Der EuGH hatte zu beurteilen, ob das Unionsrecht dahingehend auszulegen ist, dass eine Erstattung, die sich aus einer Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage ergibt, und Erstattung eines Vorsteuerüberschusses zu verzinsen ist, wenn die Erstattung nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt, und welche Modalitäten hierfür gegebenenfalls gelten.
Der EuGH stellt fest, dass Mitgliedstaaten zwar die Einzelheiten der Erstattung von Vorsteuerüberschüssen festlegen dürfen, jedoch muss ein Steuerpflichtiger den gesamten Forderungsbetrag unter angemessenen Bedingungen erhalten. Dies impliziert die Erstattung mittels Auszahlung oder gleichwertiger Mittel innerhalb angemessener Frist und dass dem Steuerpflichtigen durch die Erstattungsmethode kein Risiko entstehen darf. Erfolgt die Erstattung des Vorsteuerüberschusses nicht innerhalb einer angemessenen Frist und besteht kein Anspruch auf Verzugszinsen, würde die Situation des Steuerpflichtigen negativ beeinträchtigt werden. Das würde gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen.
Folglich verlangt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität – auch wenn die Mehrwertsteuerrichtlinie weder eine Pflicht zur Zahlung von Zinsen auf den zu erstattenden Vorsteuerüberschuss vorsieht noch angibt, ab wann solche Zinsen zu zahlen wären –, dass die finanziellen Verluste, die dadurch entstehen, dass ein Vorsteuerüberschuss nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wird, durch die Zahlung von Verzugszinsen ausgeglichen werden.
Dies gilt auch für Mehrwertsteuererstattungen, die sich aus einer Verminderung der Bemessungsgrundlage ergeben.
Das EuGH-Urteil hat grundsätzlich positive Auswirkungen, da Unternehmer nun jedenfalls Anspruch auf die Verzinsung von Umsatzsteuerguthaben haben, die nicht innerhalb angemessener Frist ausbezahlt werden. Fraglich ist, wie der VwGH im Folgeurteil die positive Verzinsung umsetzt. Da bereits bestehende Regelungen zur Verzinsung wohl analog ausgelegt werden, ist davon auszugehen, dass auch Umsatzsteuerguthaben mit 2% über dem Basiszinssatz pro Jahr verzinst werden. Zu erwarten ist natürlich auch eine entsprechende Reaktion des Gesetzgebers.
Abzuwarten bleibt, ob die gesetzliche Regelung der Säumniszuschläge (für verspätete Zahlungen) weiterhin in der derzeitigen Form bestehen bleibt. Diese werden derzeit lediglich mit pauschal 2% (unabhängig von der Dauer!) verzinst.