EuGH zum Leistungsort bei erotischen Videochat-Sitzungen

Der EuGH hatte im vorliegenden Fall über den Ort der Leistung bei interaktiven erotischen Online-Videochat-Sitzungen zu entscheiden.

Das Unternehmen Westside Unicat, ansässig in Rumänien, produziert und vermarktet digitale erotische Inhalte, insbesondere über persönliche Online-Videochats. Diese Inhalte werden über die US-amerikanische Plattform StreamRay live übertragen, die auch die Schnittstelle für die Interaktion ihrer Kunden (natürliche Personen) mit den Models zur Verfügung stellt. Die Models, die die Dienstleistungen von Westside Unicat in Anspruch nehmen, unterzeichnen „Partnerschaftsverträge“ und stimmen zu, dass Westside Unicat die Einnahmen aus den Videochats erhebt und an sie weiterleitet. StreamRay tritt dabei im eigenen Namen gegenüber ihren Kunden auf, legt die Konditionen und Preise fest und überweist einen Prozentsatz des Umsatzes an Westside Unicat, die wiederum einen Anteil an die Models weiterleitet.

Nach einer Steuerprüfung wurde Westside Unicat zur Zahlung zusätzlicher Mehrwertsteuer verpflichtet. Die Steuerbehörde vertrat die Ansicht, dass der Ort der Dienstleistungen von Westside Unicat an StreamRay in Rumänien läge. Westside Unicat war hingegen der Ansicht, dass die Erbringung von Dienstleistungen an StreamRay in Rumänien nicht der Mehwertsteuer unterliege. Die Steuerbehörde argumentierte jedoch, dass Westside Unicat der Veranstalter der interaktiven Darbietungen sei. Diese Dienstleistungen stellten Unterhaltungsveranstaltungen im Sinne von Art. 53 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dar. Diese seien jedoch entsprechend der Rechtsprechung des EuGH zu interaktiven erotischer Live-Webcam-Darbietungen dort steuerbar, wo der Dienstleistungserbringer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten habe. Westside Unicat legte gegen den Steuerbescheid Klage ein, das Regionalgericht gab der Klage teilweise statt. In der Folge legte die Steuerbehörde Rechtsmittel ein und das vorlegende Gericht ersuchte den EuGH um Klärung.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass die Dienstleistungen, die von einem Studio zur Aufzeichnung von Videochats an den Betreiber einer Plattform für Verbreitungen über das Internet erbracht werden, und die darin bestehen, digitale Inhalte in Form interaktiver Videositzungen erotischer Art zu erstellen, nicht unter Art. 53 MwSt-RL (Eintrittsberechtigungen) fallen. Der Verweis der Steuerbehörde auf die EuGH-Rechtsprechung zum Thema interaktive erotische Live-Cam-Darbietung geht laut EuGH ins Leere, da diese Rechtsprechung die Auslegung des Art 52 lit a MwSt-RL betraf (Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unterhaltung).

Die in Art 53 vorgesehene besondere Anknüpfungsregelung ist vielmehr so zu verstehen, dass sie nicht für Dienstleistungen gilt, die zur Durchführung einer zu einer Veranstaltung führenden Tätigkeit erbracht werden, sondern nur für Dienstleistungen, die darin bestehen, das Recht auf Eintritt zu einer solchen Veranstaltung zu gewähren. Die fraglichen Dienstleistungen stellen jedoch weder Dienstleistungen dar, die den Dienstleistungsempfängern das Recht auf Zugang zu diesen Inhalten gewähren sollen, noch damit zusammenhängende Dienstleistungen, sondern Dienstleistungen, die für die Verbreitung dieser Inhalte durch den Betreiber an seine eigenen Kunden erforderlich sind.

Der EuGH stellt ferner fest, dass der Besitz und die Verwendung von Geräten durch das Videochat-Aufnahmestudio für die Aufnahme und Aufzeichnung der Videositzungen nicht ausreichen, um davon auszugehen, dass das Studio den Zugang zu den Sitzungen gewährt.

Praxisfolgen

EuGH klärt den Anwendungsbereich von Art 53 der MwSt-RL insoweit, dass Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Erstellung digitaler Cam-Shows stehen, nicht unter die speziellen Regelungen für Eintrittsberechtigungen zu Unterhaltungs- oder ähnliche Veranstaltungen fallen. Auch kann die EuGH-Entscheidung dahingehend interpretiert werden (auf Grund des Verweises auf die EuGH-Rechtsprechung in der Rs Geelen), dass die nachgelagerten Leistungen eher unter die Kategorie „Tätigkeit auf dem Gebiet der Unterhaltung“ als in die Kategorie „Eintrittsberechtigung“ zu subsumieren sind. Ausdrücklich äußert sich der EuGH dazu jedoch nicht, da lediglich die Frage vorgelegt wurde, ob Art 53 MwSt-RL anwendbar ist.