BFG zur Geschäftsführerhaftung für EUSt-Schulden bei fehlender Sorgfalt

Das BFG beschäftigte sich in der Entscheidung vom 3. März 2021 mit der Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Geschäftsführer für eine uneinbringlich gewordene Einfuhrumsatzsteuerschuld zur Haftung herangezogen werden kann.

Im Verfahren geht es um eine GmbH, die eine Überführung von Waren aus der Türkei in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung als indirekte Vertreterin für einen französischen Empfänger beantragt hat (so genanntes „Verfahren  42“). Im Zuge des Verfahrens 42 können Nichtunionswaren steuerfrei eingeführt werden.

Anlässlich von abgaben- und finanzstrafrechtlichen Ermittlungen wurden in 39 Fällen fehlende und widersprüchliche Informationen in den Unterlagen der GmbH festgestellt (zB andere Warenempfänger oder Auslieferungsorte). Eine Berufung gegen eine Festsetzung iHv ca. EUR 320.000 an EUSt wurde als unbegründet abgewiesen, weil die betroffene GmbH ihren Nachweispflichten nach der VO 401/1996 nicht nachgekommen sei. Der von 2004-2017 als Geschäftsführer eingetragene Beschwerdeführer wurde mit Bescheid gemäß §§ 9 iVm 80 BAO als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgabenschulden der GmbH herangezogen.

Bei der Prüfung der Haftungsvoraussetzungen gemäß §§ 9 iVm 80 BAO wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in den Zollanmeldungen die EUSt-Befreiung nach Art 6 Abs 3 BMR beantragt hat, obwohl Zweifel bestanden haben mussten, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Abgabenbefreiung erfüllt waren. Dem Beschwerdeführer ist vorzuwerfen, dass er die widersprüchlichen Angaben über den Empfänger in den vorgelegten Unterlagen nicht hinterfragt hat. Folglich hätte der Beschwerdeführer unter Einhaltung der zumutbaren Sorgfaltspflicht die Ungereimtheiten mit dem Empfänger abklären sollen.

Praxisfolgen

Die BFG-Entscheidung hebt die Relevanz der Einhaltung der Sorgfaltspflichten von Geschäftsführern und die korrekte Dokumentation bei der Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen hervor. Im Falle einer Nichteinhaltung der Sorgfalts- und Offenlegungspflichten, kann ein Geschäftsführer selbst für die EUSt bei Uneinbringlichkeit der Abgabe zur Haftung herangezogen werden.

Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten kann oftmals durch die Einführung eines Kontrollsystems sichergestellt werden. So empfiehlt es sich, in der Praxis häufig vorkommende Geschäftsfälle zu analysieren, einer Risikobewertung zu unterziehen und entsprechende Maßnahmen zu implementieren, um die korrekte Besteuerung zu gewährleisten. Diese Maßnahmen richten sich nach dem Risiko und können von einfachen Checklisten (zB zur Nachweisführung bei der Inanspruchnahme einer Steuerbefreiung) bis hin zu Detailanalysen und der Freigabe von Geschäftsfällen durch den Geschäftsführer (zB erstmaliger Handel mit karussellkritischer Ware) reichen.

Derartige Maßnahmen betreffen nicht nur die Buchhaltung oder die Steuerabteilung – die Prozesse sollten schon wesentlich früher ansetzen (zB beim Einkauf oder Vertrieb), da es gerade bei umsatzsteuerrechtlichen Sachverhalten (die unmittelbar beurteilt werden müssen) oftmals schon zu spät für eine Fehlerkorrektur ist, wenn die Geschäftsfälle – wenn überhaupt – in der Steuerabteilung ankommen.